Zum Stand der Dinge
› BUCH


Buch

Begleitpublikation zur Ausstellung:
»Zum Stand der Dinge« – Ralf Meyer - Fotografie
Hrsg. Technische Sammlungen Dresden / Museen der Stadt Dresden
Softcover, 21 x 22 cm
24 Seiten mit 20 Farbabbildungen
ISBN 978-3-941843-05-9



Begleittext des Katalogs

Alltag — ein lesbarer Ort

Wie ist der Stand der Dinge im Dresden des Jahres 2009? Der Hamburger Fotograf Ralf Meyer, erster Stipendiat für Fotografie der Dresdner Stiftung Kunst & Kultur der Ostsächsischen Sparkasse Dresden, hat an einer Antwort gearbeitet: Sein Bild der Stadt erscheint wie durch ein Kaleidoskop in vielen Perspektiven gesehen.

Der vor allem durch Arbeiten zur Aussagekraft architektonischer Ensembles der Vergangenheit hervor getretene Fotograf hat die gängigen Vorstellungs- und Klischeebilder von Dresden mit dem abgeglichen, was er tatsächlich durch die Kamera sah. Seine Aufnahmen fixieren Brüche in der Ausstattung der Stadtlandschaft, unwillentlich geschaffene, verloren und widersprüchlich wirkende Kombinationen von Zeichen. Doch gibt es neben dieser lesenden Betrachtung des Umfeldes im Ergebnis auch jäh durchscheinende Sehnsuchtsmetaphern von großer Schlichtheit und Durchschlagskraft. Bilder eindringlicher Poesie stehen gegenüber solchen, die anhaltende Beunruhigung, auch Bedrohungsängste vermitteln. Meyers Aufnahmen geben alltägliche Szenen wieder, die, in der fotografischen Auszeichnung, nicht selten eine unwirkliche, surreale Ausstrahlung entfalten. Und Szenen, die liebevoll, mit Gespür für das amüsante, auch skurrile Detail erfasst wurden.

Zum Dresden des Jahres 2009 gehören die Idylle der Elbwiesen gegenüber den Brühlschen Terrassen mit sich sonnenden Menschen ebenso wie das Bild der trotzig vertieften Leserin, sitzend auf einer Balustrade aus Sandstein, natürlich Dresdner Sandstein, wie eine lokalpatriotisch gestimmte Vermutung lauten mag.

Ralf Meyer definiert das Thema Stadtbild auf eigene Weise. Seine Fotografien sind Ergebnis eines präzisen Hinschauens, das aus der eigentlich konträr erscheinenden Kombination von Gelassenheit und Konzentration herrührt. Diese fotografische Wahrnehmungsweise setzt nicht auf den Moment, wohl aber auf die Authentizität der je vorhandenen Konstellation, deren Gegebenheit. Das im erweiterten Sinne als dokumentarisch zu bezeichnende Vorgehen des Fotografen wird mittels einer Apparatur umgesetzt, die sowohl Flexibilität in der Wahl des Aufnahmestandpunktes wie auch die Genauigkeit der Aufzeichnung garantiert. Ralf Meyer arbeitet mit einer Mittelformatkamera und analogem Filmmaterial, dessen nichtreversible Veränderung nach der Entwicklung die Ausgangsbasis des Bildes bleibend definiert.

Zumeist ins Hochformat gesetzt, weisen Ralf Meyers farbige Aufnahmen sehr unterschiedliche graphische Strukturen und Raumverhältnisse auf. Im flächigen Übersichtsbild etwa ist ein Detail als das Sinn bestimmende erst nach eingehender Betrachtung aufzufinden. Das Verhältnis von Groß und Klein begegnet insgesamt in flexibler Anordnung. Die klassischen Zentralperspektiven der Fotografie treffen auf winklig verwundene Sichten. Gerade diese bewahren einen Bestand unauflösbarer Eigenheit, die der Wahrnehmung des Fotografen zuzusprechen ist.

Die Stadt Dresden ist ein besonderer Ort mit einem Klima vielfach zitierter und imaginierter Geschichtlichkeit. Die analytisch-intuitive Methode des Fotografen zeitigt ein Ergebnis, dass die Chiffren des Alltags am Ort Dresden mit großer Eindringlichkeit in eine Erkenn- und Lesbarkeit überführt und sie zugleich als Teil des Welttheaters vorstellt. Es lebe die wahre Versprechung!

Dr. Andreas Krase
Kustos Fotografie / Kinematografie der Technischen Sammlungen Dresden
2010